Dreierverträge in der Transaktionsanalyse: Rollenklarheit und Systemtransparenz
Mediator Sweti

Klärung im Mehrpersonensystem
Einleitung: Verträge jenseits des Zweiersettings
Nicht alle Beratungs- oder Mediationsprozesse lassen sich auf eine klassische Zweierbeziehung reduzieren. Gerade in Organisationen, Institutionen oder komplexen Familiensystemen sind häufig mehrere Personen oder Rollen an einem Anliegen beteiligt. In solchen Konstellationen reicht der Zweiervertrag – wie im ersten Teil dieser Reihe beschrieben – nicht mehr aus, um Klarheit, Transparenz und Verantwortung sicherzustellen.
Hier setzt das Konzept des Dreiervertrags nach Fanita English an. Es erweitert die klassische Vertragstheorie der Transaktionsanalyse um eine dritte Partei und berücksichtigt damit die Realität vieler Beratungssituationen, in denen Aufträge, Erwartungen und Machtverhältnisse auf mehrere Beteiligte verteilt sind.
Ursprung und Bedeutung des Dreiervertrags
Fanita English entwickelte das Modell des Dreiervertrags in den 1970er-Jahren, um eine systemischere Sichtweise in die Vertragstheorie der Transaktionsanalyse einzubringen. Während Eric Berne die Verantwortung für den Beratungsprozess primär zwischen zwei Personen verortete, erkannte English die zunehmende Relevanz vermittelter oder delegierter Aufträge – etwa durch Organisationen oder Führungsebenen.
Ein Dreiervertrag ist dann angezeigt, wenn eine Person (zum Beispiel eine Führungskraft) eine andere beauftragt, mit einem Dritten (zum Beispiel einem Mitarbeiter oder einem Team) zu arbeiten. Ziel ist es, die Interessen, Erwartungen und Verantwortlichkeiten aller drei Beteiligten zu klären und in einen transparenten, tragfähigen Arbeitsrahmen zu überführen.
Die drei Rollen im Dreiervertrag
Ein vollständiger Dreiervertrag umfasst drei klar definierte Positionen:
- Klient – die Person oder Gruppe, mit der gearbeitet wird.
- Berater – der Coach, Mediator oder Prozessbegleiter.
- Auftraggeber – typischerweise eine Führungskraft oder eine organisatorische Instanz.
Zwischen diesen Rollen können unterschiedliche Zielvorstellungen, Hierarchieebenen und Kommunikationsformen bestehen. Der Dreiervertrag zielt darauf ab, diese Differenzen frühzeitig zu benennen und transparent zu gestalten. Modelle der Transaktionsanalyse wie Ich-Zustände und Transaktionen helfen dabei, Beziehungs- und Kommunikationsmuster zu reflektieren.
Vertragliche und psychologische Ebenen
Wie beim Zweiervertrag geht es auch hier nicht nur um formale Absprachen, sondern um die zugrunde liegenden psychologischen Prozesse. Welche Erwartungen stellt der Auftraggeber an den Berater? Welche Haltung nimmt der Klient gegenüber dem Auftraggeber ein – kooperativ, skeptisch, abhängig? Welche Position nimmt der Berater in diesem Spannungsfeld ein?
Der Dreiervertrag hilft dabei, verdeckte Loyalitätskonflikte, Rollenunklarheiten und unausgesprochene Ziele zu identifizieren, bevor sie den Beratungsprozess beeinträchtigen. Dabei sind grundlegende TA-Konzepte wie Skript, Autonomie und Ersatzgefühle hilfreiche Orientierungsgrößen.
Ein zentrales Modell in diesem Zusammenhang ist das Drama-Dreieck nach Stephen Karpman. Es beschreibt drei destruktive Rollen in Konflikten: Retter, Verfolger und Opfer. Im Kontext des Dreiervertrags kann es vorkommen, dass der Berater als vermeintlicher Retter zwischen einem „verfolgenden“ Auftraggeber und einem „hilflosen“ Klienten agiert. Ein reflektierter Vertrag hilft, solche Dynamiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Ethik, Schutz und Klarheit
Der Dreiervertrag erfordert vom Berater ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Integrität und ethischer Verantwortung. Die Vermittlungsrolle zwischen Klient und Auftraggeber bringt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich: Wer spricht wann mit wem? Welche Informationen werden weitergegeben – und unter welchen Bedingungen?
Ein tragfähiger Dreiervertrag schützt die Autonomie des Klienten, ohne die berechtigten Interessen des Auftraggebers zu vernachlässigen. Er schafft klare Kommunikationswege, definiert Vertraulichkeit und verhindert verdeckte Allianzen.
Praxisbeispiel: Reaktionszeiten im IT-Support
Ein IT-Dienstleister beauftragt einen Mediator, mit dem First-Level-Support-Team zu arbeiten. Anlass ist die anhaltende Unzufriedenheit der Fachabteilungen mit den Reaktionszeiten bei Supporttickets. Die Führungskraft sieht die Verantwortung beim Team – das Team fühlt sich überlastet und unter Druck gesetzt.
Im gemeinsamen Vorgespräch mit der Führungskraft, der Teamleitung und dem Mediator wird ein Dreiervertrag geschlossen. Die Führungskraft benennt ihre Erwartungen (z. B. Reduktion der Beschwerdeanzahl, Einhaltung von SLAs), das Team bringt seine Perspektive ein (z. B. mangelnde Ressourcen, unklare Priorisierung), und der Mediator sichert Vertraulichkeit, Allparteilichkeit und eine strukturierte Prozessbegleitung zu.
Im weiteren Verlauf führt der Mediator Einzelgespräche und moderierte Teamworkshops durch. Regelmäßig wird abgestimmt, welche Informationen an die Führungsebene zurückfließen dürfen. So entsteht ein geschützter Raum, in dem das Team eigenständig Lösungen entwickeln kann.

🧭 Veränderung beginnt mit Klarheit.
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Chancen und Grenzen des Dreiervertrags
Ein klar formulierter Dreiervertrag bietet die Möglichkeit, komplexe Auftragslagen strukturiert und transparent zu bearbeiten. Er hilft dabei, psychologische Spiele zu vermeiden, Rollen zu klären und die Zusammenarbeit auf eine verlässliche Basis zu stellen.
Gleichzeitig ist der Dreiervertrag kein Allheilmittel. Er setzt eine professionelle Haltung, hohe kommunikative Kompetenz und Klarheit im methodischen Vorgehen voraus. Wenn Machtverhältnisse stark asymmetrisch sind oder Beteiligte sich nicht auf Augenhöhe begegnen können, stößt das Modell an seine Grenzen.
Typische Stolperfallen ergeben sich aus verdeckten Allianzen, widersprüchlichen Zielvorstellungen oder unklaren Verantwortlichkeiten. Wenn der Auftraggeber dem Berater verdeckte Erwartungen überträgt oder der Klient sich unter Beobachtung fühlt, kann das Vertrauen in den Prozess leiden. Auch eine Vermischung von Rollen – etwa wenn der Berater gleichzeitig Coach, Informant und Vermittler sein soll – gefährdet die Wirksamkeit. Hier sind saubere Vereinbarungen und ein transparenter Umgang mit Erwartungen zentral.
Fazit: Klärung ermöglicht Wirksamkeit
Der Dreiervertrag nach Fanita English ist ein bewährtes Instrument, um Beratung, Mediation und Coaching in komplexen Mehrpersonensystemen tragfähig zu gestalten. Indem er hilft, die Interessen, Erwartungen und Verantwortlichkeiten aller drei Beteiligten zu klären, schafft er eine solide Grundlage für Vertrauen, Verbindlichkeit und nachhaltige Veränderung.
Diese Klärung schafft nicht nur Transparenz, sondern fördert auch die Autonomie aller Beteiligten, schützt vor Rollenkonflikten und erhöht die Prozessqualität. Erst wenn alle wissen, worauf sie sich einlassen – und worauf sie sich verlassen können – kann professionelle Beratung ihre volle Wirkung entfalten.
Zweier- und Dreiervertrag im Vergleich
- Zweiervertrag: zwischen Klient und Berater, direkt, autonom, meist im Einzelsetting
- Dreiervertrag: zwischen Klient, Berater und Auftraggeber, für Kontexte wie Organisation, Familie oder Schule
- Ziel Zweiervertrag: Klarheit, Selbstverantwortung, psychologische Sicherheit
- Ziel Dreiervertrag: Rollenklarheit, Systemtransparenz, Absicherung von Mehrfachbindungen
Weiterdenken und Kontakt
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