Implizite Verträge in der Transaktionsanalyse: Die ungeschriebenen Spielregeln
Mediator Sweti

Die verborgenen Spielregeln in Beratung, Mediation und Coaching
Einleitung: Verträge, die nicht ausgesprochen werden
In der Transaktionsanalyse (TA) ist der Begriff „Vertrag“ zentral. Berne forderte: „Keine Veränderung ohne Vertrag“. Doch nicht alle Vereinbarungen werden offen ausgesprochen. Manche wirken im Hintergrund – oft unbewusst, aber dennoch sehr wirkungsvoll. Solche impliziten Verträge prägen Beziehungen, Erwartungen und Selbstbilder – besonders in beratenden und vermittelnden Kontexten.
In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die unsichtbaren Übereinkünfte, die Beratung, Mediation und Coaching beeinflussen. Was sind implizite Verträge? Wie entstehen sie? Und wie können wir als professionelle Begleiter konstruktiv mit ihnen umgehen?
Was sind implizite Verträge?
Implizite Verträge sind psychologische Übereinkünfte, die nicht explizit benannt oder verhandelt, aber dennoch wirksam sind. Sie entstehen durch Verhalten, Körpersprache, unausgesprochene Erwartungen oder kulturelle und biografische Prägungen. Oft beruhen sie auf früheren Beziehungserfahrungen – insbesondere in der Kindheit – und spiegeln sich in inneren Haltungen wie:
- „Wenn ich nett bin, wirst du mich nicht kritisieren.“
- „Du bist mein Retter, also übernimmst du die Verantwortung.“
- „Ich darf keine Schwäche zeigen – sonst verliere ich den Respekt.“
Solche Vereinbarungen wirken häufig unterhalb der bewussten Kommunikation und prägen dennoch die Dynamik der Beratungsbeziehung.
Entstehung und Wirkung
Implizite Verträge entstehen häufig bereits in der Kindheit, wenn Menschen sich unbewusst an die Erwartungen ihrer Eltern oder anderer Bezugspersonen anpassen. Diese frühen Erfahrungen prägen innere Haltungen und Erwartungen an zukünftige Beziehungen, die später auch in Beratungssituationen wirksam werden. Das daraus entstehende Beziehungsmuster bleibt meist unbewusst, wird aber durch Verhalten und emotionale Reaktionen immer wieder aktiviert.
Auch kulturelle Skripte oder gesellschaftliche Normen tragen zur Entstehung impliziter Verträge bei. Menschen übernehmen dabei unausgesprochene Regeln, wie man sich in bestimmten Rollen oder sozialen Kontexten zu verhalten hat. Diese Normen werden selten hinterfragt, aber häufig als selbstverständlich betrachtet und weitergegeben.
Belastende oder traumatische Beziehungserfahrungen können ebenfalls tiefe Spuren hinterlassen, die sich in impliziten Selbstverpflichtungen oder Schutzstrategien zeigen. Solche unbewussten Muster führen dazu, dass bestimmte Themen gemieden werden oder bestimmte Reaktionen automatisch erfolgen. In Beratung und Mediation können sie die Veränderungsbereitschaft blockieren oder die Beziehung zwischen den Beteiligten belasten.
Oft entstehen implizite Verträge auch in Situationen, in denen offene Kommunikation aus Angst, Unsicherheit oder Loyalitätskonflikten vermieden wird. Statt klarer Worte entwickeln sich unausgesprochene Übereinkünfte, die jedoch weder verhandelt noch bewusst reflektiert sind. Diese führen zu Spannungen, wenn die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen über die Beziehung oder den Verlauf des Prozesses haben.
Die Wirkung impliziter Verträge zeigt sich häufig indirekt: in Missverständnissen, stockender Kommunikation, wiederholten Enttäuschungen oder einem vagen Gefühl, dass „etwas nicht stimmt“. Obwohl formal alles besprochen scheint, wirken unter der Oberfläche unausgesprochene Regeln weiter. Diese zu erkennen und bewusst zu machen, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Klarheit, Vertrauen und Zusammenarbeit.
Beispiele aus der Praxis
1. Coaching: Ein junger Mann kommt ins Coaching, weil er sich beruflich neu orientieren möchte. Bereits im Erstgespräch signalisiert er hohe Kooperationsbereitschaft, vermeidet jedoch klare Aussagen über seine Wünsche. Der Coach freut sich über die scheinbare Offenheit – implizit entsteht ein Vertrag: „Ich bin ein guter Klient, solange ich die Erwartungen erfülle und keine Konflikte aufmache.“ Gleichzeitig übernimmt der Coach zunehmend die inhaltliche Steuerung, was auf einen zweiten stillen Vertrag hindeutet: „Du sagst mir, was ich tun soll, und ich versuche, es gut zu machen.“ Die Gefahr liegt darin, dass beide Beteiligten das Coachingziel aus den Augen verlieren und in eine Rollendynamik geraten, die echte Selbstklärung verhindert.
2. Familienmediation: Eine erwachsene Tochter versucht, ihre hochbetagte Mutter zum Umzug in eine Pflegeeinrichtung zu bewegen. Die Mutter lehnt dies entschieden ab, obwohl sie im Alltag zunehmend Unterstützung benötigt. Implizit scheint ein Vertrag zu bestehen: „Solange ich nicht ausdrücklich um Hilfe bitte, darfst du mich nicht als hilfsbedürftig behandeln.“ Gleichzeitig könnte auf Seiten der Tochter ein unbewusster Vertrag wirken: „Wenn ich mich genug kümmere, darf ich entscheiden, was das Beste ist.“ Beide Haltungen führen zu einem unlösbaren Widerspruch, solange sie nicht bewusst gemacht und verhandelt werden.

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Formen impliziter Verträge in der TA
- Psychologische Verträge – unbewusste Erwartungen an die Beziehung: Nähe, Bestätigung, Führung
- Skriptverträge – aus der Kindheit übernommene Lebensregeln: „Ich darf nicht scheitern“, „Ich bin nur wertvoll, wenn ich helfe“
- Rollenerwartungen – z. B. „Der Mediator löst das für uns“
- Schweigeverträge – unausgesprochene Absprachen, bestimmte Themen nicht zu berühren
- Drama-Verträge – auf dem Karpman-Dreieck basierende Rollen: Retter – Verfolger – Opfer
Umgang mit impliziten Verträgen
Professionelle Berater, Coaches und Mediatoren können implizite Verträge nicht immer verhindern – aber sie können sie sichtbar machen und reflektieren.
Dies gelingt durch aufmerksame Beobachtung von Mustern, Körpersprache und sich wiederholenden Situationen. Auch metakommunikative Hinweise wie „Ich habe den Eindruck, hier gibt es Erwartungen, die nicht ausgesprochen wurden“ können hilfreich sein. Unterstützend wirken zudem Visualisierungen, Aufstellungen oder die gezielte Einladung zu expliziten Vereinbarungen.
Dabei gilt: Nicht jede implizite Dynamik muss sofort angesprochen werden – manchmal reicht es, dass sie dem Berater bewusst wird. Entscheidend ist, ob die unausgesprochene Regel den Prozess unterstützt oder behindert.
Fazit: Klarheit entsteht durch Bewusstheit
Implizite Verträge sind kein Ausnahmephänomen – sie sind Teil jeder zwischenmenschlichen Kommunikation. Gerade in Beratungs- und Mediationsprozessen lohnt es sich, für diese verborgenen Ebenen sensibel zu sein. Die Transaktionsanalyse bietet dafür ein differenziertes Vokabular und ein praxiserprobtes Methodenrepertoire.
Wer implizite Verträge erkennt und mit ihnen bewusst umgeht, kann Klarheit fördern, Beziehungen stärken und Entwicklung ermöglichen – auch wenn der Vertrag nie ausgesprochen wurde.