Neutralität, Unabhängigkeit und Allparteilichkeit als Grundmerkmale der Mediation
Von Mediator Sweti
In den beiden Artikel Eigenverantwortung in der Mediation: Gemeinsam Lösungen finden und Die Bedeutung der Vertraulichkeit in der Mediation habe ich zwei Grundprinzipien der Mediation vorgestellt. Dieser Artikel betrachtet drei weitere Prinzipien der Mediation – Neutralität, Unabhängigkeit und Allparteilichkeit –, die allerdings nicht voneinander unabhängig sind.
Neutralität und Unabhängigkeit sind zwei fundamentale Säulen der Mediation. Sie stellen sicher, dass der Mediator seine Rolle unparteiisch ausführt (persönliche Neutralität) und den Prozess auf eine faire und ausgewogene Weise leitet (Prozessneutralität).
Neutralität bedeutet, dass der Mediator keine Seite bevorzugt. Er behandelt alle Parteien gleich und bietet jedem die gleiche Möglichkeit, seine Sichtweise darzulegen. Dies schafft ein Umfeld des Vertrauens und der Offenheit, in dem sich alle Beteiligten sicher fühlen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, ohne Angst vor Vorurteilen oder Diskriminierung zu haben.
Unabhängigkeit hingegen bedeutet, dass der Mediator frei von äußeren Einflüssen ist. Er sollte keine persönlichen oder beruflichen Verbindungen zu den Parteien haben, die seine Objektivität gefährden könnten. Ein unabhängiger Mediator ist in der Lage, den Konflikt aus einer neutralen Perspektive zu betrachten und sicherzustellen, dass der Prozess fair bleibt.
Die Aufrechterhaltung von Neutralität und Unabhängigkeit hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Erfolg der Mediation. Wenn die Parteien das Gefühl haben, dass der Mediator unparteiisch und objektiv ist, sind sie eher bereit, sich auf den Prozess einzulassen und Lösungen zu finden. Dies führt zu nachhaltigeren und einvernehmlichen Ergebnissen.
Ferner stärkt die Wahrung dieser Prinzipien das Vertrauen in die Mediation als Methode der Konfliktlösung. Wenn Mediatoren konsequent neutral und unabhängig agieren, wird die Mediation als faire und gerechte Alternative zu gerichtlichen Verfahren wahrgenommen.
Neutralität
Eine Unterscheidung zwischen persönlicher Neutralität und Verfahrensneutralität ist wesentlich, weil sie verschiedene Ebenen der Unparteilichkeit im Mediationsprozess anspricht. Ein Mediator kann persönlich neutral sein und keine Vorurteile gegenüber den Parteien haben, aber dennoch verfahrensmäßig voreingenommen sein, wenn er beispielsweise einer Partei mehr Redezeit einräumt oder Verfahrensregeln nicht konsequent durchsetzt.
Persönliche Neutralität bezieht sich auf die Haltung und Einstellung des Mediators gegenüber den Parteien und dem Konflikt selbst. Diese Form der Neutralität bedeutet, dass der Mediator keine persönlichen Vorurteile, Präferenzen oder Abneigungen gegenüber den beteiligten Personen oder dem Streitgegenstand hat. Hier sind einige zentrale Aspekte persönlicher Neutralität:
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Unparteilichkeit: Der Mediator muss sicherstellen, dass er keine Partei bevorzugt oder benachteiligt. Er sollte keine emotionale Bindung oder Antipathie gegenüber einer der Parteien haben.
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Vorurteilsfreiheit: Der Mediator muss sich seiner eigenen Vorurteile bewusst sein und aktiv daran arbeiten, diese nicht in den Mediationsprozess einfließen zu lassen. Dies erfordert Selbstreflexion und eine bewusste Anstrengung, um persönliche Ansichten zurückzuhalten.
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Gleichbehandlung: Jede Partei erhält die gleiche Aufmerksamkeit, Zeit und Unterstützung vom Mediator. Der Mediator sollte darauf achten, dass seine nonverbale Kommunikation (wie Körpersprache und Tonfall) keine Partei bevorzugt.
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Empathie und Verständnis: Der Mediator sollte Empathie für alle Parteien zeigen und deren Perspektiven und Gefühle anerkennen, ohne Partei zu ergreifen.
Verfahrensneutralität bezieht sich auf die Struktur und Durchführung des Mediationsprozesses selbst. Diese Form der Neutralität bedeutet, dass der Mediator sicherstellt, dass das Verfahren fair und unparteiisch abläuft. Hier sind einige zentrale Aspekte der Verfahrensneutralität:
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Gleiche Regeln für alle: Der Mediator legt von Beginn an klare Verfahrensregeln fest, die für alle Parteien gleichermaßen gelten. Diese Regeln betreffen Aspekte wie Redezeiten, die Reihenfolge der Beiträge und die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden.
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Transparenz: Der Mediationsprozess sollte für alle Parteien transparent und nachvollziehbar sein. Der Mediator erklärt die Schritte des Prozesses und stellt sicher, dass alle Beteiligten verstehen, was als Nächstes passiert und warum.
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Gleicher Zugang zu Informationen: Alle Parteien sollten Zugang zu denselben Informationen haben. Der Mediator stellt sicher, dass keine Partei im Vorteil ist, weil sie mehr oder andere Informationen besitzt als die andere Partei.
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Unparteiische Unterstützung: Der Mediator bietet Unterstützung an, die allen Parteien gleichermaßen zugutekommt, sei es durch die Bereitstellung von Ressourcen, die Erklärung von Verfahren oder die Moderation von Diskussionen.
Unabhängigkeit
Im Mediationsgesetz wird persönliche Unabhängigkeit des Mediators in § 3 definiert. Der Mediator muss alle Umstände offenlegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen könnten. Er darf nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien trotz dieser Umstände ausdrücklich zustimmen.
Im Mediationsgesetz (MediationsG) sind absolute und relative Verbote für Mediatoren festgelegt, um deren Unabhängigkeit und Neutralität sicherzustellen.
Absolute Verbote beziehen sich auf Umstände, bei denen der Mediator unter keinen Bedingungen tätig werden darf:
- Vorherige Tätigkeit in derselben Sache: Der Mediator darf nicht vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen sein (§ 3 Abs. 2 Satz 1).
- Nachträgliche Tätigkeit in derselben Sache: Der Mediator darf nicht nach der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig werden (§ 3 Abs. 2 Satz 2).
Relative Verbote betreffen Situationen, die eine Tätigkeit als Mediator grundsätzlich ausschließen, es sei denn, alle Parteien stimmen ausdrücklich zu:
- Offenlegungspflicht: Der Mediator muss alle Umstände offenlegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen könnten (§ 3 Abs. 1).
- Verbundene Berufsausübungsgemeinschaft: Eine Person aus derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft des Mediators darf nicht vor, während oder nach der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen sein, es sei denn, alle Parteien stimmen zu (§ 3 Abs. 3).
Diese Regelungen gewährleisten, dass Mediatoren frei von Interessenkonflikten agieren und ein faires Verfahren ermöglichen.
Allparteilichkeit
Allparteilichkeit bedeutet, dass der Mediator eine Haltung einnimmt, bei der er sich gleichermaßen in die Positionen und Perspektiven aller Konfliktparteien einfühlt und diese gleichermaßen unterstützt. Es geht darum, eine Balance zu finden und sicherzustellen, dass keine Partei bevorzugt oder benachteiligt wird. Der Mediator zeigt Verständnis für die Anliegen aller Beteiligten und fördert eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und Vertrauens.
Zusammenhang zwischen Allparteilichkeit und Neutralität
Neutralität bedeutet, dass der Mediator keine Partei ergreift und keine eigenen Meinungen oder Präferenzen in den Mediationsprozess einbringt. Allparteilichkeit erweitert dieses Konzept, indem sie aktiv betont, dass der Mediator allen Parteien gegenüber gleiche Empathie und Unterstützung zeigt.
Der Zusammenhang lässt sich folgendermaßen beschreiben:
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Gleichbehandlung und Unparteilichkeit: Neutralität und Allparteilichkeit sichern gemeinsam die Gleichbehandlung aller Parteien. Während Neutralität die passive Haltung der Unparteilichkeit betont, beschreibt Allparteilichkeit die aktive Bemühung des Mediators, alle Parteien gleichermaßen zu unterstützen und zu verstehen.
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Vertrauensbildung: Durch Allparteilichkeit gewinnt der Mediator das Vertrauen aller Parteien, da diese erkennen, dass ihre Anliegen und Perspektiven gleichermaßen wertgeschätzt werden. Dies verstärkt die Neutralität des Mediators, da die Parteien die Mediation als fair und ausgewogen wahrnehmen.
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Konfliktlösung: Die Kombination aus Neutralität und Allparteilichkeit schafft ein sicheres Umfeld, in dem die Parteien offen und ehrlich kommunizieren können. Dies fördert eine tiefere Verständigung und erleichtert die Erarbeitung gemeinsamer Lösungen.
Praktische Umsetzung der Allparteilichkeit
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Aktives Zuhören: Der Mediator hört jeder Partei aktiv zu und reflektiert deren Standpunkte und Emotionen. Dies zeigt den Parteien, dass ihre Anliegen ernst genommen werden.
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Empathische Reaktion: Der Mediator reagiert empathisch auf die emotionalen Ausdrücke aller Parteien und erkennt deren Gefühle und Bedürfnisse an, ohne dabei Partei zu ergreifen.
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Gleichwertige Unterstützung: Der Mediator bietet allen Parteien gleichwertige Unterstützung, sei es durch Hilfestellung bei der Formulierung von Anliegen oder durch die Bereitstellung gleicher Informationen.
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Förderung des Dialogs: Der Mediator ermutigt alle Parteien, ihre Sichtweisen offen darzulegen, und sorgt dafür, dass keine Partei dominiert oder unterdrückt wird.
Fazit
Allparteilichkeit und Neutralität sind zentrale Prinzipien in der Mediation, die gemeinsam sicherstellen, dass der Mediationsprozess fair, ausgewogen und effektiv verläuft. Während Neutralität die Unparteilichkeit des Mediators betont, beschreibt Allparteilichkeit die aktive Unterstützung und Empathie für alle Parteien. Durch die Anwendung beider Prinzipien kann der Mediator das Vertrauen der Parteien gewinnen und eine erfolgreiche Konfliktlösung fördern.
Die Regelungen der MediationsG stellen sicher, dass die Neutralität und Unabhängigkeit des Mediators gewahrt bleiben, um den Mediationsprozess fair und unparteiisch zu gestalten.